Montag, 11. Juni 2012

Einfach Herrlich!


Die heutige Jugend hat grosse Erwartungen vom Leben und kann sich auch nur über materielle
Geschenke freuen. Aber das auch nur für eine kurze Zeit. Meine Generation ist während der
Kriegs- und Nachkriegszeit gross geworden, und wir mussten mit Wenigem auskommen. Und
trotzdem waren wir zufrieden und freuten uns über kleine Ereignisse und Geschenke. Folgend
sind einige Dinge die mir damals, wie auch heute noch, Freude bereiteten.


Der Duft von frischgebackenem Brot
An der Ecke Hammerweg und Neutorstrasse war eine Bäckerei. Sie ist heute nicht mehr da. Jeden
Morgen auf meinem Weg zum Gymnasium musste ich dort vorbeigehen. Der Backofen war im Hof. Ich konnte schon von weitem riechen, wenn das Brot aus dem Ofen kam. Dieses Aroma ist himmlisch und zugleich etwas schmerzhaft, zumal auf einen nüchteren Magen. Brotduft ist berauschender als der Duft von Chanel 5, Benzin, Grillfleisch oder der Geruch von dem Inneren eines neuen Autos. Auch noch heute, wenn mir das Aroma von frisch gebackenem Brot oder Kuchen in die Nase steigt, läuft mir der Speichel im Mund zusammen.
Einfach Herrlich !


Die erste Tafel Ami Schokolade
Im Herbst 1945, hatten wir keine Schule. Die Amis, so nannten wir die Amerikaner damals, hatten die Stadtschule als Kaserne beschlagnahmt. Vielleicht als Wiedergutmachung, veranstalteten die Soldaten ein Sportfest im Waldstadium für deutsche Kinder und Jugendliche.im Sommer 1946. Baseball interessierte mich nicht. Boxen war schon eher etwas. Mein Gegner war Bertel Muth, der Cousin von Hildrud Heusel (née Muth), die verstorbene Wirtin vom Wilden Mann. Es gab nur eine Runde, dann hatten unsere ausgemerkelten Körper keine Kraft mehr. Der Kampf endete unentschieden. Jeder bekam einen Riegel Ami Schokolade. Wir setzten uns erschöpft ins Gras und genossen unsere Schokolade.
Einfach Herrlich!


Das Wunder von Bern erleben auf einem Bein
Im Jahr 1954 war Hochstimmung in Deutschland. Es war das erste Mal, dass Deutschland nach dem Krieg wieder an der Fussballweltmeisterschaft teilnehmen durfte. West-Deutschland hatte sich nicht nur qualifiziert, sondern war sogar im Endspiel gegen Ungarn. Das Endspiel war am 4. Juli in Bern.
Gegen Ungarn hatte Deutschland absolut keine Chance. So hiess es in allen Zeitungen. Schon in der
Vorrunde, Ungarn und Deutschland waren in derselben Gruppe, hatten die Magyaren die Teutonen
mit 8 zu 3 Toren überrollt. Ich musste das Spiel unbedingt sehen. Die einzige Möglichkeit war die
Bahnhofsgaststätte. Dort gab es einen Fernsehapparat.. 
Ich ging frühzeitig hin, aber der Saal war schon knackend voll. Ich fand noch einen “Stehplatz” auf einem Heizkörper in der Ecke. Die Sicht zum Fernseher, über alle Köpfe hinweg, war  ausgezeichnet. Leider hatte ich nur mit einem Fuss Platz auf der Heizung. So stand ich da auf einem Bein, wie ein Maasai Krieger, mich am Wasserrohr festhaltend, für das ganze Spiel. Nach sechs Minuten schoss Ferenc Puskas das erste Tor. Zwei Minuten später kam das zweite Tor durch Voltan Czibor. Max Morlock und Helmut Rahn schafften den Ausgleich noch vor der Pause. Sechs Minuten vor dem Abpfiff kam das goldene Tor von Helmut Rahn. Der Lärm im Saal war ohrenbetäubend. Deutschland war Weltmeister.
Einfach Herrlich! 
Von Mop